Raumakustik verlangt geplantes Vorgehen
Die Raumakustik trägt wesentlich dazu bei, dass sich Menschen im Innern von Gebäuden wohlfühlen. Je höher die Ansprüche und je komplexer die Raumgeometrie sind, desto sorgfältiger müssen die baulichen Massnahmen ermittelt und definiert werden. Dieser Artikel bietet einen Überblick für Planung und Ausführung im Gips-Trockenbau.
Factbox
Text: Thomas Kuster
Die Raumakustik ist neben visuellen und thermischen (Raumklima) Kriterien ein zentrales Merkmal für die von Menschen empfundene Behaglichkeit in Räumen. Sie befasst sich mit der Schallausbreitung in einem geschlossenen Raum oder – salopp ausgedrückt – mit der Halligkeit von Räumen.
In Planung und Ausführung ist dabei die gewünschte akustische Qualität in Abhängigkeit von der Raumnutzung zu erreichen. Dazu steht im Markt eine enorme Vielfalt an Absorberprodukten und Diffusoren zur Verfügung, die in Abstimmung mit dem Materialkonzept der Architektur und den technischen Eigenschaften (Absorption, Reflexion, Diffusion) eingesetzt werden. Die Stärke der Absorption eines Produktes wird mit dem Absorptionskoeffizienten/-grad α angegeben. Je höher der Wert ist, desto höher die Absorption. Dabei reichen die Werte von 0 bis 100 Prozent beziehungsweise von 0 bis 1.
Im Grundsatz gilt: je grösser die schallabsorbierende Fläche, desto weniger hallig erscheint ein Raum. Die Anordnung von Absorber- und Reflexionsflächen wie auch die Produktwahl sind indes ebenfalls relevant und werden anhand der Raumnutzung definiert.
Die Planung
Für eine gute Raumakustik ist mit der Konzeption und den Berechnungen bereits in einer frühen Planungsphase zu starten, also ab Vorprojekt oder schon in Wettbewerbsprojekten. Dies, weil die entsprechenden Massnahmen meistens kostenrelevant sind. Einfache Standardsituationen und -raumnutzungen wie Einzelbüros oder Wohnräume stellen keine erhöhten Ansprüche an die Raumakustik. Deshalb kommen in solchen Fällen Erfahrungswerte, bewährte Produkte und bei Bedarf einfache Berechnungsmethoden zum Einsatz.
Raumnutzungen mit hohen Ansprüchen an die akustische Qualität und/oder mit einer gewissen Komplexität der Raumgeometrie erfordern hingegen den Einsatz von wesentlich genaueren Methoden zur Bestimmung der Massnahmen. Im Normalfall erfolgt dies über ein 3D-Modell und Simulationen mittels spezieller Software. Dadurch erhöht sich die Prognosegenauigkeit zu den akustischen Verhältnissen deutlich. Folglich sind ergänzende Massnahmen während des Betriebs nicht mehr nötig und Beanstandungen von Nutzern lassen sich auf ein absolutes Minimum reduzieren.
Wenige bindende Vorgaben
Bindende Vorgaben in der Raumakustik werden derzeit einerseits durch die Suva gemacht für Räume, in denen ständige Arbeitsplätze vorhanden sind. Anderseits sind Vorgaben auch für Schulzimmer vorhanden, nämlich durch die Norm SIA 181:2006. Alle übrigen Raumnutzungen (Aufenthaltsräume, Theatersäle, Sitzungszimmer usw.) unterliegen lediglich projektspezifischen Zieldefinitionen, die in Absprache mit den Architekten und der Bauherrschaft bestimmt werden. Damit lässt sich sicherstellen, dass die Zielgrössen definiert und im Rahmen einer Qualitätskontrolle oder bei Beanstandungen messbar sind. Hier eine kurze Übersicht zu den Anforderungen:
- Arbeitsräume (mit Aufenthalt > 1 h pro Tag): Anforderungen nach Suva (rechtlich bindend).
- Unterrichtsräume: Anforderungen nach Norm SIA 181:2006.
- Alle anderen Nutzungen werden üblicherweise nach der Norm DIN 18041 «Hörsamkeit in Räumen» definiert.
- Musikübungsräume werden neu in der Norm EN ISO 23591 definiert.
Das korrekte Vorgehen bei der Dimensionierung und der Auslegung ist das folgende:
- Raumnutzungen und deren Anforderungen definieren (in Zusammenarbeit mit Architektur).
- Je nach Projekt: Nutzungsvereinbarung aufsetzen, welche die Anforderungen der Raumtypen im Projekt definiert (Freigabe durch Architektur und Bauherrschaft).
- Materialkonzept Architektur erstellen.
- Berechnung oder Simulation sowie nachfolgende Dimensionierung raumakustischer Massnahmen.
- Anpassungen des Materialkonzepts auf Basis der erforderlichen raumakustischen Massnahmen.
- Ausschreibung.
- Ausführungsplanung / Erstellung Massnahmen.
- Baukontrollen und Abnahmemessungen (bei Bedarf).
Ausschreibung und Ausführung
Für die Ausschreibungsunterlagen sollten die Absorberklasse des Produktes (Klasse A bis D) oder der gewichtete Schallabsorptionsgrad αw sowie die erforderliche Fläche angegeben werden. Hilfreich als Beilage zur Ausschreibung sind spezifische Pläne, auf denen die Flächen und Absorbertypen grafisch ersichtlich sind.
Die ausgeschriebenen Absorber sind mit den Produktdaten zu vergleichen. Sollten Abweichungen bestehen (zum Beispiel tiefere Absorberklasse), ist die Rücksprache mit dem Akustiker zu empfehlen. Dieser prüft alternative Produkte und erteilt die Freigabe, sofern die Eignung gegeben ist. Es ist allgemein zu empfehlen, bereits in der Phase der Ausschreibung einen Akustiker beizuziehen. Leider ist das nicht üblich.
Und Vorsicht: Angesichts der vielen verschiedenen Materialien und Verarbeitungsweisen ist es nicht möglich zu sagen, ein bestimmtes Produkt erfülle generell eine bestimmte Absorberklasse. Dazu braucht es eine Berücksichtigung der verschiedenen Bedingungen im Raum und weitere Abklärungen, zum Beispiel mit Hilfe der Prospekte und technischen Datenblätter.
Bei Ausschreibungen, die keine konkreten Vorgaben zu Produkten, Absorberklassen oder Absorptionskoeffizienten (zum Beispiel αw) wie auch zu Flächen machen, sollte nachgefragt werden.
Tipps für die Praxis
- Reine und glatte Holzoberflächen sind keine Absorberflächen.
- Verlässliche Kennwerte für Absorberprodukte liefern nur Messungen aus dem Labor (Hall-Raum oder Kundtsches Rohr).
- An Ausschreibungstexte halten, bei Unsicherheiten an Akustiker wenden.
- Bei Umbauten oder Sanierungen können Vorher-/Nachhermessungen zusätzliche Informationen liefern.