Ein einmaliges Projekt
Von 2017 bis 2021 wurden das Kongresshaus und die Tonhalle in Zürich, beide denkmalgeschützt, aufwendig renoviert. Dabei legte man den prächtigen Bestand der Tonhalle frei, ohne die Verbindung zur Rationalität der Moderne des Kongresshauses zu verlieren. Die Verwendung von traditionellen Materialien wie Ölfarben und Leimfarben spielte eine wichtige Rolle.
Factbox
Ausführende Unternehmen: Eine Arge bestehend aus sieben verschiedenen Personen bzw. Firmen
- Beat Fischer, Chefrestaurator, Fischer Restaurierung GmbH, Dalin GR
- Peter Meier, Restaurator, Lorenzi und Meier AG, Zürich
- Tobias Bofling, Sgraffitoputz, Bolfing Tobias GmbH, Schwyz
- Josef Odermatt, Stuckaturen, Odermatt Josef GmbH, Steinen SZ
- Martin Camastral, Maler, Maler Camastral GmbH, Felsberg GR
- Anja Kraft, Malerin, Mona Lisa Malerhandwerk aus Frauenhand, Zürich
- Herbert Mäder, kaufm. Leitung, Malerhandwerk Herbert Mäder AG, Zürich
Text: Cornelia Sigrist
Bilder: Georg Aerni / Cornelia Sigrist
Die Geschichte der Zürcher Tonhalle beginnt Ende des 19. Jahrhunderts. Damals gab es den Wunsch, in Zürich einen Ort für Konzerte und Veranstaltungen zu schaffen. Die Wiener Architekten Fellner & Helmer bauten die Tonhalle 1895 direkt am Zürichsee. Sie zeigte sich mit einer für die renommierten Theaterbau-Architekten typischen opulenten und farbenprächtigen Ausstattung.
In den 1930er-Jahren entstand der Plan, ein grosses und modernes Kongresshaus zu bauen, das auch die Tonhalle einbeziehen sollte. Die Schweizer Architekten dieses Umbaus, Haefeli Moser Steiger, suchten eine Anbindung des alten Tonhalle-Saals an das Erscheinungsbild des neuen Kongresshauses. Die Dekorationsmalereien und die Architekturelemente erhielten in der Folge einen grauen Farbschleier (Sepia-Tinktur), wodurch sie in ihrem Glanz und ihrer Wirkung gedämpft wurden.
So entstand ein architektonisch eng verwobenes Ensemble aus Alt und Neu. Im Laufe der Jahre wurden sowohl das Kongresshaus als auch die Tonhalle mehrmals renoviert, umgebaut und modernisiert, um den wachsenden Anforderungen der Zeit gerecht zu werden.
Kompetente Arge
Den Zuschlag für die jüngste Restaurierung des Kongresshauses und der Tonhalle erhielt eine Arbeitsgemeinschaft (Arge), nachdem sie überzeugende Farbmuster und ein wettbewerbsfähiges Angebot präsentiert hatte. Zu dieser Arge zählten auch Herbert Mäder und Anja Kraft, die seit 2002 unter einem Dach arbeiten: Malerhandwerk Herbert Mäder AG und Mona Lisa GmbH. Die beiden Malermeister haben neben diversen Weiterbildungen auch die Zusatzausbildung Handwerk in der Denkmalpflege gemacht.
Verbindung von damals erhalten
«Ein zentrales Ziel war es, nicht nur den Bestand zu erhalten und dass die Spuren der Zeit ablesbar sind, sondern auch dass die Tonhalle mit der Opulenz des Historismus wieder in Erscheinung tritt, ohne dabei die Verbindung zur Rationalität der Moderne des Kongresshauses zu verlieren», sagte Anja Kraft. Um dies zu erreichen, sei der Bestand nicht nur von der Sepia-Tinktur und den Verschmutzungen befreit worden, sondern es sei in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege und den Architekten (Arge Boesch Diener) auch ein neues Farbkonzept schrittweise von oben nach unten erarbeitet worden, das ein Zusammenspiel der beiden Gebäude ermöglicht habe.
Die Stadt Zürich - als Geldgeberin der Kongresshaus-Stiftung, der Eigentümerin des Gebäudekomplexes - bestand auf lösungsmittelfreien Produkten. Deswegen kamen eine wässrige Ölfarbe für die Wände, Säulen und Deckenunterzüge und eine komplett reversible Leimfarbe zum Einsatz. Daniel Ritter, der Ko-Geschäftsführer der Thymos AG, hebt die Bedeutung der reversiblen Produkte zum Schutz der historischen Untergründe hervor. Sie erlauben es zukünftigen Restauratoren, Änderungen rückgängig zu machen, ohne das Originalwerk zu beschädigen. Ein weiterer Vorteil: Reversible Produkte sind vernünftig im Unterhalt - ein Ölfarbenanstrich beispielsweise lässt sich waschen und nachölen.
Die Komplexität der Arbeit, die neben Malerarbeiten auch restauratorische Eingriffe umfasste, erforderte eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachleuten. «Es ist wichtig, dass man die Synergien zwischen den Restauratoren und den Malern nützt, damit man solche Objekte miteinander umsetzen kann», betont Kraft.
Daneben gibt es auch bauliche Veränderungen in der grossen Tonhalle. So wurden die Bühne vergrössert, die Sessel ausgetauscht und ein neuer, schwimmender Boden eingezogen. Zudem musste die wuchtige Orgel einer kleineren weichen.
Das Orgelgehäuse wird maseriert
Das von der Firma Kuhn entworfene Orgelgehäuse wurde in Zusammenarbeit mit den Architekten sowie der Denkmalpflege sorgfältig auf die Formensprache des Saals abgestimmt. Im Einklang mit dem Grundkonzept für den grossen Tonhalle-Saal bildeten die Maler Holzstrukturen in Maserierungstechnik mit einer Holzlasur auf Leinölbasis nach. Die Eichen-Maserierung wurde so angepasst, dass sie sich nahtlos in das Gesamtbild einfügt und dennoch die historische Authentizität bewahrt.
Retuschieren und rekonstruieren
Im Konzertfoyer trifft man auf ein weiteres zentrales Element des Projekts: Die Rekonstruktion des diagonalen, netzartigen Sgraffitos. In den Jahrzehnten nach seiner Entstehung wurde es mehrfach überstrichen, zuletzt waren die Kratzspuren kaum mehr wahrnehmbar. Auf Hunderten von Quadratmetern mussten die vielen dicken Dispersionsfarbschichten mit einem Dampfgerät abgelaugt werden, um das Original freizulegen. Danach wurden die fehlenden Teile mit dünner Kalklasur retuschiert und die Ausbrüche an manchen Stellen in originaler Technik rekonstruiert.
Vor der jüngsten Renovierung war der Eingangsbereich im Vestibül der Tonhalle und des Kongresshauses durch architektonische Unterteilungen beeinträchtigt. Die Einbauten des Casinos Le Bal und des Clubbereichs aus den 1980er-Jahren hatten den ursprünglich grosszügigen Raum verkleinert und verdunkelt.
Nach dem Rückbau dieser konstruktiven Massnahmen und der Wiederherstellung der ursprünglichen Beschichtung mit einer wässrigen Leinöl-Emulsionsfarbe erstreckt sich das Vestibül nun wieder über die ganze Länge und erstrahlt in neuem Glanz.
Rund 52 500 Arbeitsstunden
Während der vierjährigen Restaurierung waren im Durchschnitt täglich etwa 18 Personen auf der Baustelle im Einsatz. Insgesamt hat die Arge
rund 52 500 Stunden in das Projekt investiert. Anja Kraft und Herbert Mäder sind sich einig, dass diese Arbeit wahrscheinlich ein «Once in a lifetime»-Erlebnis in ihrer Karriere bleiben wird.