Wohnscheune Weilerzone
Rund 15 Häuser bilden eine örtliche Weilerzone und stehen in einem landwirtschaftlich geprägten Kontext. Dieser Historie fühlt sich auch der Neubau des Wohnhauses verpflichtet.
Factbox
Architektur: BE Architektur GMBH
Ausführendes Unternehmen: Mario Beer AG
Industrie: KEIMFARBEN AG
Text: Jörg Kradolfer, Mitarbeiter Technischer Dienst Gipser SMGV und Jurymitglied Schweizer Preis für Putz und Farbe
Bilder: Vito Stallone, Architekturfotograf
Der Neubau mit Holzverschalung an der Fassade und Steildach mit Ziegeleindeckung fügt sich diskret in das Ensemble der anderen 15 Häuser des Weilers ein. Ausgangspunkt des Entwurfs ist ein Mauerwerk mit Backstein und Ortbeton, der innen konventionell verputzt und aussen mit einer hinterlüfteten Fassadenverkleidung wärmegedämmt wurde. Die Balkenlage der Dachkonstruktion wurde innenseitig mit Gipsfaserplatten verkleidet.
Saubere Umsetzung des Konzeptes
Das architektonische Konzept ist geprägt vom Kontrast zwischen einer leichten hölzernen Hülle und einem Inneren, in dem Wände, Böden, Decken und Dachflächen eine Raumskulptur bilden, die die Wirkung einer monolithischen Einheit erzeugt.
Hinter Holzschiebetoren sind grosse Fassadenöffnungen mit Festverglasung, die einen starken Bezug des Innenraumes zu der idyllischen Landschaft herstellen. Die offenen Innenräume bilden eine Raumskulptur mit grossen zusammenhängenden Wandflächen vom Erdgeschoss bis unter das Dach. Die exakt ausgebildeten Ecken und Kanten bei den horizontalen Übergängen zu den Geschossdecken, zu Durchgängen, Laibungen und Brüstungsmauern zeichnen eine feine Geometrie, die das Raumkonzept des Architekten (das «Übereinanderstapeln» der geschlossenen Räume) sauber umsetzen.
Ortsbeton als Referenz
Mit einer «ähnlichen» Oberfläche von Wänden, Decke und Böden wirken die Räume monolithisch, wobei der abtaloschierte Ortbeton (Monobeton) des Bodens im Prozess der Bemusterung immer mehr zur Referenz für die restlichen zu verputzenden Flächen wurde.
Der Aufbau des Putzes wurde den unterschiedlichen Untergründen angepasst. Auf Backstein und Ortbeton an Wänden und Decken mit Grundputz (Kalk/Zement). An Dachschrägen und Sanitärvorwandsystemen aus Gipsfaserund Zementbauplatten mit einer Ausgleichsschicht auf Gipsbasis. Bei Materialübergängen im Untergrund und bei konstruktiven Bauteilen wurden Putzschichten durch sogenannte Putzbrücken vom Untergrund entkoppelt. Kanten und Abschlüsse zu fremden Bauteilen wie Türen- und Fensterrahmen wurden mit der Einlage von Metallprofilen ausgebildet, welche mit dem Deckputz überarbeitet nicht mehr sichtbar sind.
Schrittweise zum Endresultat
Zu Beginn stand die Idee des Architekten einer «rohen» mineralischen Oberfläche, die harmonisch mit dem Betonboden wirkt. Mit unterschiedlichen Grundputzmaterialien wurde experimentiert. Der Prozess der Materialisierung wurde anhand grossflächiger Muster vor Ort durch den Gipserunternehmer unter Mitwirkung des Materiallieferanten fortgesetzt. Zusammen mit der Bauherrschaft näherte man sich schrittweise der finalen Oberfläche an. Der Entscheid fiel auf einen feinen mineralischen Kalk-Zement-Putz mit einer Kornstärke von 0,3 mm. Dieser wurde «über Korn» (ca. 2 – 3 mm Putzstärke) aufgetragen und abgeglättet. Farbliche Anpassungen an die Böden erfolgten mittels Zugabe anorganischer Pigmente.
Der feine Deckputz wurde in zwei Arbeitsgängen «frisch-in-frisch» aufgetragen und anschliessend an der Oberfläche verdichtet. Mit dem zweiten Putzauftrag wurde zusätzlich pigmentiertes Putzmaterial eingearbeitet. So wurden farbliche Nuancen erzielt, welche die Art des Materialauftrags erkennen lassen. Herausfordernd dabei ist das Erzielen des gewünschten «bewegten» Erscheinungsbildes durch ein materialbedingt zügiges Verarbeiten. Dies hauptsächlich in den offenen Räumen mit den zusammenhängenden Wandflächen über mehrere Geschosse. Durch die feine Struktur des Putzes und die farbliche «Anfeuerung» unterschiedlich pigmentierter Putzmaterialien gelang es, eine «rohe» Oberfläche mit handwerklicher Ausprägung zu erzielen, die harmonisch zu den Böden ein einheitliches Gesamtbild der raumbildenden Bauteile bewirkt.
Durch Mut zur Auszeichnung
Der hohe Gestaltungswille und seine handwerklich gekonnte Umsetzung zeichnen das Projekt in besonderer Weise aus. Sichtbar massgeblich war die intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten: des Architekten, des Materialherstellers, des Gipserunternehmers und der ausführenden Handwerkerinnen und Handwerker sowie letztlich auch der Mut der Bauherrschaft, sich für diese Oberfläche des sichtbaren Handwerks zu entscheiden. Das Projekt wurde daher im Jahr 2023 mit dem dritten Platz beim Schweizer Preis für Putz und Farbe ausgezeichnet.