Fassadengestaltung im Zeichen des Stadtbildes
In der Berner Altstadt wurde die barocke Fassade eines Stadtpalais restauriert – mit traditionellen Materialien und viel Gespür fürs Stadtbild. Die Wahl fiel bewusst auf Ölfarbe.
Factbox
Konzept: Thymos AG
Restauratorische Untersuchung: Fischer & Partner AG
Ausführendes Unternehmen: Burkhard & Co. AG
Bilder und Text: Cornelia Sigrist
Die Kramgasse in der Berner Altstadt: Charakteristisch zeigen sich die Fassaden der Gebäude aus Berner Sandstein mit ihren vielfältig genutzten, direkt von der Gasse zugänglichen Gewölbekellern.
Beim genaueren Hinsehen sticht eine Fassade besonders ins Auge: Kramgasse 72. Ihr frischer Glanz hebt sie vom übrigen Strassenzug ab. Doch schon ein paar Schritte weiter, im veränderten Lichteinfall, wirkt sie deutlich zurückhaltender und fügt sich optisch wieder in die historische Häuserzeile ein. Der Glanz stammt von der Ölfarbe, mit der die historische Fassade im Zuge einer Sanierung neu beschichtet wurde.
Hanspeter Niggli, Gründer und Geschäftsführer der Firma Thymos AG, und Andreas Ammann entwickelten das passende Ölfarbenkonzept für das Objekt. Die restauratorische Untersuchung und die stratigrafische Bestandsaufnahme der Fassade verantwortete Matthias Kilchhofer, Geschäftsführer der Fischer & Partner AG. Für die fachgerechte Ausführung war das Team der Burkhard & Co. AG zuständig.
Uneinheitliches Gesamtbild
Ursprünglich als Barockpalais um 1740 erbaut, erstreckte sich das imposante Gebäudeensemble von der Kramgasse bis zur Rathausgasse und gehörte zu den grössten Liegenschaften in der Berner Altstadt. In den 1920er-Jahren wurde es im Innern vollständig ausgehöhlt und beherbergte fortan das «Lichtspiel- und Varietétheater Capitol». 2015 ging die Liegenschaft in den Besitz der HIG Immobilien Anlage Stiftung über, die das Gebäude umfassend renovieren und umbauen liess.
Die barocke Sandsteinfassade blieb erhalten – wurde über die Jahrzehnte jedoch mehrfach renoviert und ergänzt, etwa mit Natursandsteinstücken und aufmodellierten Bereichen mit Kalktrassmörtel. Diese Eingriffe waren deutlich sichtbar und liessen das Erscheinungsbild uneinheitlich wirken. Ziel der aktuellen Sanierung war daher, ein ruhiges, zusammenhängendes Fassadenbild zu schaffen, das die Substanz schützt und sich zugleich harmonisch in die historische Häuserzeile einfügt.
Ein Blick in die Vergangenheit
Zur Ermittlung der historischen Beschichtungen wurden Bohrkerne aus Fensterlaibungen und aus der Fassadenfläche entnommen und analysiert. Die Proben lieferten ein klares Bild früherer Materialgenerationen und Restaurierungsphasen. In den Fensterlaibungen wurden mehrere historische Ölfarbschichten nachgewiesen, überlagert von einer jüngeren Schicht mit Anzeichen von Harzverkochung. Die Fassadenfläche wies zusätzlich eine kunststoffgebundene Schicht sowie eine alkydharzhaltige Ölfarbe auf.
Die restauratorische Untersuchung bestätigte, dass der Sandstein ursprünglich sichtbar belassen, später jedoch mehrfach beschichtet worden war – zuletzt mit einem filmbildenden Silikonharzsystem aus den 1980er-Jahren. In Abstimmung mit der Denkmalpflege entschied man sich für ein traditionelles Ölfarbensystem.
Bewährte Ölfarben
Um eine harmonische Wirkung in der Gasse zu erzielen, griff man auf einen bereits bestehenden Farbfächer mit typischen Sandsteintönen der Kramgasse zurück. Bevor die neue Beschichtung aufgetragen werden konnte, mussten sämtliche Schichten der letzten Jahrzehnte bis auf den saugfähigen Stein abgetragen werden. Anschliessend wurde die Oberfläche gründlich neutralisiert. Danach folgte der Neuaufbau in mehreren Schritten.
«Ölfarben haben sich am Berner Sandstein über Jahrzehnte bewährt und wirken konservierend», erklärt Restaurator Kilchhofer. Zudem seien sie reversibel und im Unterhalt leicht auffrischbar. Dies im Gegensatz zu moderneren Schichtsystemen, die beim Entfernen oft die Steinoberfläche oder ältere Farbschichten in Mitleidenschaft ziehen.
Die Arbeiten an der Fassade führte ein Team aus drei bis vier Fachkräften über rund fünf Wochen aus. Parallel dazu wurden auch kleinere Steinergänzungen an Fenstergewänden vorgenommen, um Lücken zu schliessen. Die einzelnen Beschichtungen wurden händisch mit Bürsten aufgetragen, um das Material sorgfältig in die Oberfläche einzuarbeiten. Eine strenge Aufgabe, die sich gelohnt hat. Nun zeigt sich die Fassade der Kramgasse in voller Pracht, passend zum Bild der Berner Altstadt.