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Farben bieten Orientierung und Identität

22.10.2025

Das neu erstellte Zentrum Hofgarten in Bellach zeigt, wie die Stationen eines Pflegeheims mit kreativer ­Architektur zu grossen Wohnungen werden. Eine entscheidende Rolle spielt das Farbkonzept.

  • Ein offener Raum mit grünen Wänden, diversen Sitzgelegenheiten und hellem Boden. | © Simon von Gunten

    Der Eingangsbereich des Zentrums Hofgarten ist mehr Hotellobby als Zugang zu einem Pflegeheim. Ein spezielles Farbkonzept und Produkte von Dold geben dem Gebäude Identität und den Bewohnern Orientierung.

Factbox

Bauherrschaft: Stiftung Fomaso

Architekten: GSJ Architekten AG und Grego Architektur

Ausführendes Unternehmen: Malerei-Gipserei Studer AG und Groupe Egli AG

Verwendete Produkte: Dold AG

Text: Raphael Briner, Leitung Redaktion Applica

Bilder: Simon von Gunten, freischaffender Fotograf

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Das Zentrum Hofgarten liege am Rand, im «Niemandsland» zwischen Bellach und Solothurn, einem Ort ohne starke Identität, stellt Jasmin Grego fest. «Deshalb war uns das Thema Identität wichtig.» Sie hat zusammen mit ihrem Team die Innenarchitektur sowie das Farb- und Materialkonzept für das neue Pflegezentrum Hofgarten der Stiftung Fomaso entwickelt.

Das Gebäudeensemble besteht aus einem Pflegeheim vor allem für ältere Personen mit Demenz oder psychiatrischen Erkrankungen sowie einem Wohnturm für Senioren. Es steht auf einer Ecke des sonst noch brachliegenden Bellacher Areals an der Grenze zur Stadt Solothurn. Dieses wird zu einem neuen Quartier entwickelt. Auf zwei Seiten ist das Zentrum Hofgarten von Mehr­familienhäusern und einer gesichtslosen Gewerbezone umgeben. Da ein Gestaltungsplan besteht, war die Kubatur des Pflegeheims vorgegeben.

Kubatur nicht ideal

Die zwei langen Riegel mit einem Verbindungstrakt seien nicht ideal, sagt Andrea Stampfli von der GSJ Architekten AG in Solothurn, die zusammen mit Grego Architektur in Zürich den Wettbewerb für das Projekt gewonnen hat. Normalerweise plane man für solche Einrichtungen kompakte Baukörper mit «Rundläufen» im Innern. Damit lässt sich verhindern, dass kognitiv eingeschränkte Personen plötzlich nicht mehr weitergehen können. Das ist bei Korridor-Enden der Fall und kann Orientierungslosigkeit bis zu Aggressionen auslösen.

Weil die Riegel vorgegeben waren, war Kreativität gefragt. «Wir wollten keine Korridore mit einer Aufreihung von Zimmern, sondern Räume, die sich zu den Korridoren öffnen», erklärt die Architektin. Kurz: Es galt, einen Spitalcharakter zu vermeiden. 

Ebenfalls sehr wichtig war, dass die Bewohner an verschiedenen Orten ausserhalb ihres Zimmers eine Möglichkeit zum Aufenthalt finden. Der Architektin und ihren Mitarbeitenden war während der Besichtigung im Rahmen des Studienauftrages aufgefallen, dass sich in den zwei bestehenden Pflegeheimen der Stiftung Fomaso die Bewohnerinnen und Bewohner oft in den Gängen aufhielten, obwohl diese sehr eng waren. «Im Korridor läuft eben etwas, dort findet das Leben statt», stellt Andrea Stampfli fest.

Zum Verweilen einladen

Die Lösung war, die Zimmer in den sechs Wohngruppen des «Hofgartens» so anzuordnen, dass im Korridor immer wieder grössere und kleinere Nischen entstehen, die mit Stühlen und Sofas möbliert werden können, und zum Verweilen einladen.

Dafür entwickelten die Architekten und Innenarchitektinnen drei Zimmer­typen mit verschiedenen Grundrissen, die sie in unterschiedlicher Ausrichtung in die drei Stockwerke des Gebäudes einfügten. Bei einem Typ haben zwei Zimmer ein gemeinsames Bad, das die Bewohner über den Korridor erreichen, was eine eigene Art von Nische schafft.

Trockenbau lässt Flexibilität zu

Ausgeführt wurde die Raumaufteilung im Gips-Trockenbau durch die Groupe Egli AG, die teilweise auch Malerarbeiten übernahm. Dadurch sei man flexibler, wenn sich in Zukunft die räumlichen Anforderungen in Pflegeheimen ändern und vielleicht Wohnungen anstatt Einzelzimmer zweckmässiger sind.

Die architektonisch geschaffenen Nischen ergeben zusammen mit den Küchen-/Esszimmerbereichen und Loggien mit Blick auf den Solothurner Hausberg Weissenstein eine abwechslungsreiche Wohnwelt, in der sich die Bewohner und Bewohnerinnen optimal orientieren können. Um die Sackgasse am Korridorende zu vermeiden, öffnet sich der Gang an dieser Stelle hin zu einem geräumigen Aufenthaltsraum samt Balkon mit wohnlicher Aufenthaltsqualität.

Eine Art WG

Das Farbkonzept unterstützt im Projekt für den «Hofgarten» die räumliche Gestaltung des Gebäudeinnern. Dabei sind nicht nur die klassischen Oberflächen des Innenausbaus wie Boden, Wand und Decke von Bedeutung. Auch die Ausstattung wird mit ihrer Farbigkeit und Materialität Teil der atmosphärischen Raumwirkung.

Am Anfang stand vom räumlichen Eindruck her die Grundidee, eine grosse Wohnung mit Zimmer, Korridor, Aufenthaltszimmer und Wohn­küche einzurichten. Auch wenn die Wohnung nun sehr viele Schlafzimmer hat, ist trotzdem «eine Art WG-Typologie und nicht wie sonst üblich eine Institution mit klar getrennten Räumen und Heimcharakter ­entstanden», sagt Grego.

Eingeschränkte Farbwahl

In den Wohnbereichen begann die Farbgestaltung mit der Wahl der Linol­eumböden. Das brachte zusammen mit den Vorgaben des Budgets gewisse Zwänge mit sich. Die Farben waren nicht frei wählbar, sondern durch das Sortiment der Hersteller vorgegeben. Die Planer entschieden sich gemeinsam mit der Bauherrschaft für Terracotta (Aufenthaltsräume), Grünblau (Küche/Essen), Ocker (Korridor) und Beige (Zimmer).

Der Farbunterschied zwischen Zimmer- und Korridorboden ist dezent. «Die Türen sind meist offen. Durch die Farbwahl greift das Zimmer quasi in den Korridor raus, es hat keine Schwelle», erklärt Innenarchitektin Grego. Auch dahinter steckt die Idee, den Bewohnerinnen und Bewohnern ein «grosszügiges Raumgefühl» zu bieten und ein möglichst ungehindertes Zirkulieren zu ermöglichen. Aus demselben Grund werden Raumgrenzen verwischt und aufgehoben, indem die Bodenfarbe der Aufenthaltsräume ein Stück weit in die Korridore hineinragt. ­Barrierefrei ist das ganze Gebäude sowieso.

Privat und öffentlich unterscheiden

Bei den fixfertig gelieferten Türen war die Auswahl auf vier Farben eingeschränkt. Die Standardfarben Weiss und Grau wollten die Innenarchitektinnen nicht, also entschieden sie sich für Hellblau und Ockergelb, um Türen zu privaten Zimmern von denjenigen zu unterscheiden, die in öffentliche Räume führen.

Die begrenzte Auswahl der Farben für Türen und Böden wurde Ausgangslage des Farbkonzepts und beeinflusste die Farben für die Wände. Hier waren die Innenarchitektinnen frei, denn die Auswahl an NCS-Farbtönen ist um ein Vielfaches grösser. 

Wie wählt man die richtigen aus? Die Wirkung und Atmosphäre eines Raumes habe, neben der konstruierten, auch eine emotionale Komponente, erklärt ­Grego. Diese hängt unter anderem stark davon ab, welche Stimmung im Raum herrschen soll. Ist das entschieden, fällt die Farbwahl mehr oder weniger intuitiv. Grundlagen dafür sind die Erfahrung der Architekten und die Bemusterung seitens der Maler.

Türen wirken wie Fenster

In den Wohnbereichen des «Hofgartens» besteht der grundsätzliche Unterschied zwischen den etwas dunkleren, farbigeren Wänden der Gemeinschaftsbereiche und den helleren, in einem gebrochenen Weiss gestrichenen der Zimmer sowie den gelblich-beigen der Gänge.

Die Türen zu den Zimmern sind mit ihrem Hellblau bewusst abgesetzt von den Wänden. Wenn sie geschlossen sind, wirken sie wie Fenster. «Man sieht zwar nicht hinein, aber es ist der Auftakt zum nächsten Raum», erklärt Jasmin Grego das Prinzip. Auch die Decken der Zimmer sind hellblau. Dadurch entsteht der Eindruck, dass der Raum sich nach oben etwas öffnet, sozusagen dem Himmel entgegen. Gleichzeitig entsteht eine Verbindung zum richtigen Himmel, den die Bewohner dank der grossen Fenster immer sehen können, wodurch er ein Teil des Innenraums wird.

Solche Impulse für die Bewohnerinnen und Bewohner zu setzen, war für das Farbkonzept genauso wichtig wie ihnen eine einfache Orientierung zu ermöglichen. Der «Hofgarten» sei für diese Menschen meist das letzte Zuhause, sagt Jasmin Grego. Der Bewegungsradius wird kleiner, aber er soll nicht weniger belebend und abwechslungsreich sein. «Darum wollen wir den Bewohnern eine möglichst grosse Vielfalt an Raumstimmungen und Anregungen anbieten.» 

  • Ein Patientenzimmer mit einem Bett. | © Julien Vonier

    Das Hellblau der Decke öffnet die Zimmer gegen oben. Bild: Julien Vonier

  • Ein offener Gang in einem Pflegeheim. | © Julien Vonier

    Die Türen zu den Zimmern sind farblich bewusst abgesetzt von den Wänden. Wenn sie geschlos­sen sind, wirken sie wie Fenster zum nächsten Raum. Bild: Julien Vonier

  • Simon von Gunten

    Die kräftigen ­Farben der öffentlichen Bereiche im Erdgeschoss heben diese von den Wohngruppen ab, die mit dezenten Tönen gestaltet sind. Das schafft Orientierung.

  • Eine moderne Küche mit Essensbereich. | © Simon von Gunten

    Die Färbung der Böden und Wände schafft Raumstimmungen, gibt Orientierung und setzt Impulse für die Bewohner.

    Ort mit starkem Charakter

    Die Farbgebung hebt nicht nur in den Wohn-/Pflegebereichen die Raum­typen voneinander ab. Aus demselben Grund sind die Farben im öffentlichen Teil des Erdgeschosses mit Empfang, Eingangsbereich und Restaurant viel kräftiger gehalten als in den Wohngruppen. Diese Gestaltung schafft die zu Beginn dieses Artikels erwähnte Identität inmitten des Niemandslands.

    «Man soll an einem Ort mit einem starken und spezifischen Charakter ankommen», sagt Grego, einem Ort mit Wiedererkennungswert. Wenn Besucherinnen und Besucher von aussen eintreten, prägen die kräftigen drei Farben Magenta, ­Ultra­marinblau und Petrolgrün den ersten Raumeindruck. Gleichzeitig definieren die Wandbeschriftung und eine Landschaftstapete den Ort eindeutig als «Hofgarten». Empfang und Eingang erinnern mehr an eine Hotellobby als an ein Pflegeheim.

    Auffällige Tapete

    Eine hohe Aufenthaltsqualität in den öffentlichen Bereichen trägt auch dazu bei, dass sich Angehörige und Externe wohlfühlen und gerne zu Besuch kommen, wie Jasmin ­Grego erklärt. Auch die Bewohner merken dank des Wechsels von dezenten Farben in ihren Wohngruppen hin zu den kräftigen Farben im Erdgeschoss, dass sie sich nun in den halböffent­lichen oder öffentlichen Räumen bewegen. 

    Das Wandbild, eine Tapete an der langen Wand des Restaurants, stellt eine surreale Landschaft dar, die ein Stadtgarten sein könnte. Die Tapete greift Magenta, Ultramarinblau und Petrolgrün auf und führt so den Farbklang der angrenzenden Eingangshalle weiter. Die Wand trennt das Restaurant zum Mehrzweckraum ab und weist grosse doppelflügelige Verbindungstüren auf. Eine besondere Herausforderung für die Tapezierer der Malerei-Gipserei Studer AG war es, die Türen der Wand zu kaschieren und die Tapete so zu applizieren, dass das Bildmuster auch dann stimmt, wenn die Türen geöffnet sind. 

    Simon von Gunten Die Tapete im Bereich des Eingangs und des Restaurants ist ein Hingucker und stellte die Maler vor eine knifflige Aufgabe.
    Ein Gipserspachtel mit Gips. | © SMGV
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