Jakobsgut: Wohnen im Kult
Das Jakobsgut in der Stadt Zürich ist ein Zeuge des Brutalismus. Mit Instandstellung und Betonkosmetik hat ein spezialisiertes Unternehmen die Anmutung aus der Bauzeit an der Fassade wiederhergestellt.
Factbox
Bauherrschaft: Züst Gübeli Gambetti Architektur und Städtebau AG
Baumanagement: Jaeger Coneco AG
Bauherrenbegleitung und Bewirtschaftung: ImmoXellent AG
Ausführendes Unternehmen: Maler Schlotterbeck AG
Text: Raphael Briner
Bilder: Maler Schlotterbeck
Sonne von morgens bis abends auf der riesigen Dachterrasse, Blick über die Stadt und eine Tramhaltestelle gleich vor der Haustür. Wohnen im und mit Kult. Die drei Jakobsgut genannten Mehrfamilienhäuser sind zwischen 1967 und 1971 im Stil des Brutalismus erbaut worden. Geplant hatten sie Otto Glaus und Hans-Rudolf Lienhard.
Nach einem kürzlichen Besitzerwechsel galt es, die teilweise sehr stark mit Moos überwachsenen «Brettlibeton»-Fassaden der Liegenschaft zu renovieren. Den Zuschlag für diese Arbeiten bekam die seit mehr als 20 Jahren auf Sichtbetonkosmetik spezialisierte Maler Schlotterbeck AG aus dem luzernischen Adligenswil. Sanierung, Instandstellung, Betonkosmetik, Oberflächenschut: So lautete der Auftrag.
Zuerst aber galt es für ihn, ein Sanierungskonzept mitzugestalten in Absprache mit der Bauherrschaft, der Züst Gübeli Gambetti Architektur und Städtebau AG, der Jaeger Coneco AG Baumanagement sowie der Denkmalpflege. Letztere sah eine behutsame Reinigung sowie eine punktuelle Retouche der Schadstellen vor, um das Gesamtbild der Fassade möglichst zu bewahren. Doch dann kamen bei der Reinigung immer mehr Schäden zum Vorschein, sodass sich die Bauherrschaft für umfassendere Betoninstandsetzungs-Arbeiten und ein einheitliches Erscheinungsbild des «Brettlibeton» (Typ 3, Sichtbetonfläche mit Brettstruktur) entschied. In Absprache mit dem Architekten und den anderen Projektbeteiligten wurde der Grundton des Sichtbetons ermittelt und dann für die unterschiedlichen Abstufungen der Pigmentierung verwendet.
Unterschiedliches Saugverhalten
Eine der Herausforderungen dabei war, dass der Beton je nach Exposition unterschiedlich abgewittert wurde und deshalb das Saugverhalten von Stelle zu Stelle anders war. Zudem spielen auch Faktoren wie Luft- und Untergrundtemperatur sowie Luftfeuchtigkeit eine Rolle. Deshalb galt es, die Mischformel für die Lasur je nach Anwendung und Stelle anzupassen.
Neben den objektbezogenen mussten auch die allgemeinen Kriterien für eine Planung einer Betoninstandstellung beachtet werden:
- Soll eine Reparaturstelle scharfkantig mit der Trennscheibe oder locker mit dem Spitzeisen ausgebrochen werden?
- Darf auch eine vollflächige, leichte farbliche Korrektur mit Lasur angewendet werden oder dürfen nur die Reparaturstellen partiell bearbeitet werden?
- Welche vollflächigen weiteren Behandlungen sind vorgesehen?
- Sind bauliche Schutzmassnahmen vorgesehen?
- Darf oder soll eine Reparaturstelle (leicht) sichtbar bleiben oder muss diese für den «Normalbetrachter» unsichtbar sein?
Ein interessantes Detail zum letzten Kriterium: Unmittelbar nach der Fertigstellung des Jakobsgut in den 1960er-/1970er-Jahren besserte ein Baumeister schadhafte Betonstellen aus. Weil diese somit zum Originalbestand gehören, mussten sie bei der jetzigen Sanierung erhalten bleiben.
Sanierung der Armierungseisen
Nachdem die Oberflächen der Fassade von Moos, Algen, Pilzen, Salz-Ausblühungen und Kalkablagerungen gereinigt waren, konnten die weiteren passenden Massnahmen an den verschiedenen Stellen festgelegt werden, zum Beispiel die Sanierung der Armierungseisen.
Diese wird nötig, wenn aufgrund einer unzureichenden Betonüberdeckung die schützende Passivschicht auf dem Bewehrungsstahl zerstört wird. Dann dringen Feuchtigkeit, Sauerstoff und Schadstoffe wie Chloride leichter zur Armierung vor, was die Korrosionsreaktionen beschleunigt und schliesslich zu Spannungen im Beton führt, die Risse und Abplatzungen verursachen.
Wenn es an solchen Stellen nötig war, die Eisen zu sanieren, legten die Mitarbeitenden von Schlotterbeck diese rundum frei, entrosteten sie mit einem mechanischen Verfahren und schlämmten sie zwei Mal mit einer Rostschutzschlämme.
Eine Kunst
Die Fassade wurde an den verschiedenen Stellen je nach Zustand zuerst mit Spezialmörtel geflickt und reprofiliert, dann kaschiert/pigmentiert oder kosmetisiert. Bei der Kosmetisierung konnten die Mitarbeiter der Malerei Schlotterbeck die Optik des «Brettlibetons» mit dessen Astlöchern und Harzgallen wiederherstellen. Zudem behandelten die Malerinnen und Maler die 5000 m2 Sichtbeton vollflächig mit einer mineralischen, leicht pigmentierten Lasur auf Basis von Sol-Silikat. Mit dieser lassen sich Farbunterschiede und Verfärbungen homogenisieren, kaschieren, ausbessern und leicht kosmetisieren.
Zu den Renovationsarbeiten am Jakobsgut gehörte auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Farbtons an den Fensterelementen. Im Innern wurden das Treppenhaus samt Betonkonstruktionen saniert und die Wohnungen möglichst unter Berücksichtigung der ursprünglichen Ausstattung und Gestaltung modernisiert.
Wohnen im und mit Kult
Das Motto aller Arbeiten innen und aussen war, «die Zeitachse um 25 bis 30 Jahre zurückzunehmen und den Kult der 1970er-Jahre mit dem Komfort von heute zu vereinen». Damit sei im Jakobsgut «Wohnen im und mit Kult» mindestens für das nächste Vierteljahrhundert möglich.
Die Sanierung folgte dem Wunsch der Bauherrschaft, die architektonische Formsprache zu bewahren und durch teils behutsame, teils notwendige Eingriffe ein stimmiges, authentisches Gesamtbild zu schaffen – eine stille Erneuerung im Sinne des «unperfekt Perfekten», frei von gestalterischer Überformung